Die Restnutzungsdauer bei Immobilien – Bedeutung, Bewertung und Praxisrelevanz
Die Restnutzungsdauer ist ein zentraler Begriff in der Immobilienbewertung. Sie beschreibt den Zeitraum, in dem eine Immobilie voraussichtlich noch wirtschaftlich genutzt werden kann – unter der Annahme regelmäßiger Instandhaltung. Für Investoren, Gutachter, Banken und Eigentümer ist sie eine wichtige Kennzahl, insbesondere bei der Ermittlung des Ertragswerts und der AfA (Absetzung für Abnutzung).
1. Definition der Restnutzungsdauer
Die Restnutzungsdauer (RND) ist der Zeitraum in Jahren, für den ein Gebäude noch als wirtschaftlich nutzbar gilt. Sie wird vom Bewertungsstichtag an bis zum Ende der voraussichtlichen Nutzung berechnet. Sie ist Teil der Gesamtnutzungsdauer, die je nach Gebäudetyp und Nutzung variieren kann.
2. Faktoren, die die Restnutzungsdauer beeinflussen
Die tatsächliche Restnutzungsdauer kann – positiv wie negativ – von der Regel abweichen. Entscheidend sind:
- Bauweise und Bauqualität: Massiv gebaute Immobilien halten in der Regel länger als Leichtbauweisen.
- Baujahr und Modernisierungsgrad: Wurde das Gebäude regelmäßig modernisiert (z. B. Dach, Fenster, Heizung), verlängert das die RND.
- Erhaltungszustand: Ein gepflegter Zustand verlängert, ein Sanierungsstau verkürzt die wirtschaftliche Nutzbarkeit.
- Technischer Fortschritt und gesetzliche Anforderungen: Neue Vorschriften (z. B. zum Wärmeschutz) können dazu führen, dass Gebäude wirtschaftlich überholt sind.
- Marktlage und Standort: In attraktiven Lagen kann sich auch eine Altbauimmobilie als wirtschaftlich nutzbar erweisen; in schwachen Märkten sinkt die Restnutzungsdauer oft schneller.
3. Restnutzungsdauer in der Wertermittlung
Die RND ist ein Kernelement im Ertragswertverfahren (gemäß ImmoWertV). Dort wird sie für die Abzinsung zukünftiger Reinerträge verwendet. Je kürzer die RND, desto geringer der Ertragswert einer Immobilie.
4. Feststellung durch Sachverständige
Die Festlegung der Restnutzungsdauer erfolgt durch den Immobiliensachverständigen auf Basis von Ortsbesichtigung, Dokumentenprüfung und bautechnischer Einschätzung. Dabei kann auch die modifizierte Gesamtnutzungsdauer Anwendung finden, falls z. B. Modernisierungsmaßnahmen die Lebensdauer verlängert haben.
5. Restnutzungsdauer und Steuerrecht
Auch steuerlich spielt die RND eine Rolle, insbesondere bei der linearen Abschreibung. Verkürzt sich die Nutzungsdauer durch Gutachten, kann dies eine schnellere steuerliche Abschreibung ermöglichen. Dies erfordert jedoch eine entsprechende Anerkennung durch das Finanzamt.
6. Fazit
Die Restnutzungsdauer ist mehr als eine technische Zahl – sie beeinflusst Wert, Investitionsentscheidung, Finanzierung und Besteuerung. Eine realistische und sachgerechte Einschätzung ist daher unerlässlich. Sie sollte stets individuell und auf Grundlage objektiver Kriterien erfolgen – und regelmäßig überprüft werden, da sich der Zustand und Marktwert einer Immobilie im Laufe der Zeit verändert.
Hinweis für die Praxis: Eigentümer, Käufer und Investoren sollten sich nicht auf pauschale Annahmen verlassen, sondern bei Bedarf ein qualifiziertes Gutachten zur RND einholen – insbesondere bei älteren oder sanierungsbedürftigen Gebäuden.
Gutachten nach den Vorgaben des Bundesfinanzministeriums:
Die Gutachten zum Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer bei der Finanzbehörde werden durch Sachverständige für die Wertermittlung erstellt, welche von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle zertifiziert wurden.